Circular Economy

27.10.2021 | Sesotec

Food Grade Rezyklat als Herausforderung der Circular Economy

Kunststoffe zählen zu den Materialien, die am häufigsten mit Lebensmitteln in Berührung kommen. Im Zuge der Circular Economy und im Kampf gegen Plastikabfälle wird auch der Einsatz von Recyclingkunststoffen in Lebensmittelverpackungen – sogenannte Food Grade Rezyklate – mehr denn je forciert. Doch das Inputmaterial muss strenge Kriterien erfüllen, um als sicher genug zu gelten. Was man unter Food Grade Rezyklat versteht, welche Kunststoffe sich dafür eignen und wie die gesetzlichen Bestimmungen dazu sind, erfahren Sie in diesem Blogartikel.



Was versteht man unter Food Grade Rezyklat und welche Kunststoffarten eignen sich für den Lebensmittelbereich?

Als Food Grade Rezyklat bezeichnet man Rezyklat, das überwiegend aus Kunststoff-Lebensmittelverpackungen hergestellt und durch ein zugelassenes Verfahren dekontaminiert wurde. Das Inputmaterial muss strenge Vorgaben erfüllen und für den Kontakt mit Lebensmitteln geeignet sein. Im Wesentlichen geht es darum, dass Substanzen aus der Verpackung nicht in gesundheitsgefährdenden Mengen auf das Lebensmittel übergehen dürfen und dass das Lebensmittel hinsichtlich Geschmack, Geruch und Zusammensetzung nicht beeinträchtigt werden darf.

Es gibt verschiedene Arten von lebensmittelechten Kunststoffen, die speziell entwickelt wurden, um nicht nur die Lebensmittelsicherheit zu gewährleisten, sondern auch die Frische und Qualität der darin aufbewahrten Lebensmittel zu erhalten.

Um festzustellen, ob ein Material lebensmitteltauglich und als solches auch zu recyceln ist, prüft man am besten den Recyclingcode auf der Verpackung. Im Regelfall stehen die Zahlen 1 bis 6 für lebensmitteltauglichen Kunststoff.

  • PET (Polyethylenterephthalat) beispielsweise hat den Recyclingcode 1. Es weist eine hohe Festigkeit auf und wird häufig für Getränke-, Ketchup- oder Pflanzenölflaschen verwendet.
  • HDPE (Polyethylen mit hoher Dichte, Recyclingcode 2) ist ein harter, undurchsichtiger Kunststoff, der leicht, aber auch stark ist. HDPE wird beispielsweise häufig für Saft- und Milchpackungen oder Einkaufstüten verwendet.
  • PVC (Polyvinyl Chlorid, Recyclingcode 3) ist ein biologisch wie chemisch sehr beständiger Kunststoff. Er wird häufig für Blister-Verpackungen verwendet, beispielsweise für Tabletten oder Kaugummis.
  • LDPE (Polyethylen mit niedriger Dichte, Recyclingcode 4) ist dünner als einige andere Kunststoffe. Es wird in erster Linie für Folienanwendungen verwendet, bei denen eine Heißsiegelung erforderlich ist, wie etwa Kaffeedosendeckel und Obst- und Gemüsebeutel.
  • PP (Polypropylen, Recyclingcode 5) hat einen hohen Schmelzpunkt und weist eine ausgezeichnete Hitzebeständigkeit auf, was es zu einem idealen Kunststoff für die Verwendung in der Mikrowelle macht. Auch für Joghurt-, Frischkäse- und Sauerrahmbehälter wird PP häufig verwendet.
  • PS (Polystyrol) mit dem Recyclingcode 6 ist ein farbloser, harter Kunststoff, der häufig zur Herstellung von Kunststoffbechern, Fast-Food-Behältern und Eierkartons verwendet wird.




Herausforderungen beim Recycling von Food Grade Plastik

Die Nachfrage nach recycelten Kunststoffen, insbesondere für die Verwendung in Lebensmittel- und Getränkeverpackungen, steigt stetig. Gleichzeitig ist jedoch das Angebot an lebensmitteltauglichen recycelten Polymeren sehr begrenzt. Gründe hierfür sind die geringe Menge und Qualität von Post-Consumer-Abfällen, kostspielige Sortier- und Waschtechnologien zur Beseitigung von Verunreinigungen sowie die Notwendigkeit von Genehmigungen durch lokale Behörden.

Zwei wichtige zentrale Behörden sind die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) und die amerikanische Food and Drug Administration (FDA) und. Ihre größten Sicherheitsbedenken beziehen sich auf Verunreinigungen aus Post Consumer Abfällen, die für die menschliche Gesundheit schädlich sein können. Laut ICIS Mechanical Recycling Supply Tracker machen lebensmitteltaugliche Kunststoffe derzeit nur 10 % der weltweiten Jahreskapazität an recycelten Polymeren (rPET, rPE und rPP) von mehr als 45 Millionen Tonnen aus.




Da gerade im Lebensmittelbereich die Anforderungen an die Reinheit des Rezyklats extrem hoch sind, reicht es für die Herstellung von Food Grade Rezyklat nicht aus, Kunststoff aus einer lebensmitteltauglichen Verpackung einfach nur zu recyceln. Es braucht fundierte Fachkenntnisse im Recyclingprozess und vor allem auch die richtige Prozesstechnik, um lebensmitteltaugliches Rezyklat herzustellen. Multi-Sensor-Sortiersysteme, die Fehlfarben, Fremdkunststoffe und Metallpartikel vorab aussortieren, gewährleisten zum einen eine hohe Materialreinheit zur Erfüllung höchster Qualitätsanforderungen und zum anderen einen hohen Materialdurchsatz für gesteigerte Profitabilität.


Rechtsrahmen für Materialien mit Lebensmittel-direktkontakt in der EU und den USA

Die Sicherheit von Materialien, die mit Lebensmitteln direkt in Berührung kommen, muss im Vorhinein bewertet werden, da chemische Stoffe von den Materialien auf die Lebensmittel übergehen können. Diese Sicherheitsbewertung – sowohl von Inputmaterialien als auch von Recyclingverfahren zur Produktion von Rezyklat für den Lebensmitteldirektkontakt – erfolgt in Europa durch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (European Food and Safety Authority, EFSA). In den USA ist die Food and Drug Administration (FDA) die für die Lebensmittelsicherheit zuständige Behörde.

EU-Rechtsrahmen der EFSA

Die Verordnung (EU) Nr. 10/2011 der Kommission legt Kriterien für die in Lebensmittelkontaktmaterialien verwendeten Kunststoffe fest. Zum einen bestimmt sie den Gesamtmigrationsgrenzwert, zum anderen enthält sie eine Liste der Stoffe, die zur Herstellung von Lebensmittelverpackungen aus Kunststoff zugelassen sind. So liegt der zulässige Gesamtmigrationsgrenzwert für alle Stoffe, die von den Lebensmittelkontaktmaterialien in Lebensmittel übergehen können, bei 10 mg je Quadratdezimeter der mit Lebensmitteln in Berührung kommenden Fläche. In einigen Fällen ist der Gesamtmigrationsgrenzwert als 60 mg/kg Lebensmittel angegeben.

Weil jedoch die entsprechenden Materialien nach ihrer Verwendung nicht mehr der Kunststoffverordnung entsprechen, da sie mit anderen Stoffen verunreinigt sein können, gibt es eine separate Verordnung zur Kontrolle der Recyclingprozesse: Verordnung (EG) Nr. 282/2008 über Materialien aus recyceltem Kunststoff und Gegenstände, die dazu bestimmt sind, mit Lebensmitteln in Berührung zu kommen.




Rechtsrahmen in den USA

In den Vereinigten Staaten finden vermehrt Post Consumer Rezyklate (PCR) Verwendung in der Herstellung neuer Lebensmittelverpackungen. Wenn die Industrie gebrauchte Polymere zur Herstellung neuer Lebensmittelbehälter recyceln möchte, schaltet sich die FDA für eine Sicherheitsbewertung ein. Geprüft wird, ob Verunreinigungen aus dem PCR-Material in das daraus hergestellte Endprodukt gelangen können und ob Hilfsstoffe im PCR-Kunststoff möglicherweise nicht den Vorschriften für die Verwendung im Lebensmittelkontakt entsprechen. Um diese Bedenken auszuräumen, prüft die FDA jede vorgeschlagene Verwendung von recyceltem Kunststoff von Fall zu Fall und gibt eine informelle Stellungnahme dazu ab, ob der Recyclingprozess voraussichtlich PCR-Kunststoff von geeigneter Reinheit für Anwendungen im Kontakt mit Lebensmitteln ergibt.  


rPET als Food Grade Beispiel

Aufgrund des sehr geringen Migrationsrisikos von PET erreichen vor allem diese Recyclingverfahren die strengen Anforderungen der EFSA in Bezug auf die Verwendung im Lebensmittelbereich. Im Gegensatz zu vielen anderen Kunststoffverpackungen, können PET-Flaschen, nicht zuletzt durch gut funktionierende Sammel- und Pfandsysteme, leicht automatisch aussortiert werden. Europaweit werden etwa 57% aller am Markt befindlichen PET-Flaschen wieder eingesammelt und recycelt. In Deutschland und einigen anderen Ländern liegt die Rücklauf-Quote sogar bei 90%.

Am weitesten verbreitet ist das sogenannte Bottle-to-Bottle-Verfahren, bei dem mithilfe innovativer Recyclingtechnologien lebensmittel-taugliches PET-Regranulat für die erneute Herstellung von Getränkeflaschen produziert wird. Dies erfordert jedoch zusätzliche Reinigungsschritte, die sogenannten „super-clean“ Prozesse, die einer Zulassung durch die EFSA unterliegen. So dürfen nur Recyclingbetriebe mit einem effektiven Reinigungsprozess und einem Qualitätssicherheitskonzept PET-Rezyklate produzieren, aus denen wiederum neue PET-Flaschen hergestellt werden. Unter dem Gesichtspunkt der Migration sind diese PET-Rezyklate nicht von Neuware zu unterscheiden. Der Rezyklat-Anteil in PET-Flaschen kann bis zu 100% betragen, 2021 sind 50% Standard. 




Fazit

Ein Großteil aller Lebensmittelverpackungen besteht aus Kunststoff-Mehrschichtverbunden, um die hohen Anforderungen an den Schutz und die Sicherheit von Lebensmitteln zu erfüllen. Diese Mehrschichtverbunde können jedoch mit heutigen Recyclingtechnologien nicht zu hochwertigen Materialien aufbereitet und zirkulär genutzt werden und landen stattdessen häufig auf Deponien oder werden energetisch verwertet. Die EFSA definiert zudem die zulässigen Ausgangsmaterialien für Rezyklate, die in direktem Lebensmittelkontakt wiederverwendet werden dürfen.

Bislang werden jedoch die Abfallströme von Nicht- lebensmittel- und Lebensmittelverpackungen nicht getrennt, wodurch die Rezyklate meist die strengen EU-Anforderungen für die Verwendung im Lebensmittelbereich nicht erfüllen. Um die Ziele des EU Green Deals zu erreichen, besteht ein entscheidender Bedarf an innovativen und nachhaltigen Verpackungslösungen (Design for Recycling) und modernen Recyclingtechnologien, um die Materialien effizienter aufbereiten zu können.

Darüber hinaus bedarf es einer wachsenden Bereitschaft aller Akteure, vom Verbraucher über den Recycler bis hin zum Hersteller, seinen persönlichen Beitrag zu leisten – sei es durch bessere Mülltrennung, Investitionen in modernste Recyclingtechnologien oder den Einsatz von Rezyklaten bei der Herstellung neuer Produkte. Denn nur, wenn alle an einem Strang ziehen und das gleiche Ziel verfolgen, lässt sich der Kreislauf schließen.





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